Esel und Ochs
Allgemein,  Schlüsselfeld

Ein Esel erzählt die Weihnachtsgeschichte

Was wohl der Esel zu erzählen gehabt hätte, damals von der Geburt Jesus.

Wer weiß? Weil das sicherlich spannend gewesen wäre, habe ich mir dazu ein paar Gedanken gemacht und die in eine Geschichte verpackt. Eine Geschichte, die vor allem Kindern Spaß macht und die sich gut zum Vorlesen eignet.

Prolog

Esel werden von den Menschen seit vielen tausend Jahren als Nutztiere eingesetzt. Die Tiere halfen nämlich Männern und Frauen, wenn sie schwere Gegenstände transportieren mussten. Außerdem ließen sich die Menschen auch selber von einem Ort zu einem anderen von ihrem Esel tragen. Früher gab es keine Lastwagen, Traktoren, oder Autos.

Es waren die Esel, die mit Gegenständen, oder Menschen beladen wurden. Heute benutzt man Autos dafür. Die Esel schleppten geduldig auch schwere Lasten über holprige und steinige Straßen und unsichere, schmale Wege.

Ein Esel war das Familienauto für viele Menschen vergangener Jahrhunderte. Statt einem VW Golf stand damals ein Esel, – natürlich nicht in der Garage, -sondern in einem Stall.

So ist es kein Wunder, dass auch in der Weihnachtsgeschichte ein Esel vorkommt. Natürlich in einer Nebenrolle, so wie es einem Transportmittel eben zukommt. Trotzdem ist ein Esel ein Lebewesen. Auch er hat Gefühle und vielleicht sogar mehr Verstand als wir Menschen ahnen. Deshalb soll hier mal der Esel zu Wort kommen und erzählen, wie das damals war in Bethlehem und was da eigentlich wirklich passiert ist:

Esel sind ganz besondere Tiere

Gestatten, mein Name ist Asinia und ich bin eine Eselsfrau. Damit niemand Angst vor mir hat, will ich mich ein wenig beschreiben: Mein Fell ist weich und grau. Ich sehe aus wie ein großes Kuscheltier. Ums Maul herum trage ich einen weißen Rand. Manche ahnungslosen Menschen necken mich damit. Sie nennen diese Besonderheit „Mehlmaul“, weil mein Maul aussieht, als wäre ich mit dem Kopf in eine Tüte mit Mehl geraten. Das stimmt natürlich nicht. Denn ich bin in keine Mehltüte gefallen. Ich habe von Natur aus so einen schönen weißen Streifen.

Außerdem haben wir Esel ganz lange Ohren. Ich bin richtig stolz darauf.  So wunderschöne lange Ohren haben Pferde nicht. Eigentlich kann man uns gar nicht verwechseln. Trotzdem passiert das öfter. Doch ein Esel ist kein Pferd. Auch wenn wir im weitesten Sinne zur Familie der Pferde gehören. Mit meinen langen Ohren kann ich sehr gut hören. Auch leise Geräusche. Ich kann meine Hörwerkzeuge auch in unterschiedliche Richtungen drehen. Wenn ich sie nach vorne lege, zeige ich damit meinem Menschen, dass ich ihn mag. Ohren sind was Wunderbares und ich finde sie sehr schön. Meine Ohren sind flauschig. Ich mag es, wenn mich mein Mensch dort streichelt.

 In der Regel bin ich sehr genügsam, denn ich brauche nur wenig Essen. Wenn mich die Menschen als Lasttier nutzen, kann ich trotz der schweren Lasten lange wandern. Unterwegs bin ich schon zufrieden, wenn ich ein paar Disteln und hartes Gras zum Fressen finde. Altes Brot und Karotten sind wahre Leckerbissen. Ich bin auch sehr stark. Deshalb kann ich ganz leicht schweres Gepäck tragen. Und wenn der Weg besonders steil und schmal wird, dann renne ich auch nicht kopflos davon. Denn das tun die Pferde gerne. Sondern ich bleibe einfach mal stehen und überlege mir gut, welchen Weg ich nehmen will. Manche Menschen verstehen das nicht. Sie schlagen dann auf mich ein, weil sie glauben, dass sie es besser wissen als ich, welcher Weg der Richtige ist. Sie halten mich für störrisch. Dann schimpfen sie: „Du blöder und dummer Esel!“  Doch in Wahrheit bin ich einfach nur klug. Denn nur wer vorsichtig ist, kann die gefährlichen Wege im Gebirge zurücklegen, ohne abzustürzen.

Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb ich die Ehre hatte, Jesus auf meinem Rücken zu tragen. Weil Gott alle Menschen und Tiere erschaffen hat, weiß er, dass ich gut aufpassen kann. Darum freue ich mich, dass ich als kleiner Esel auf Jesus aufpassen durfte. Denn, ich, ein kleiner unbedeutender Esel durfte ihn transportieren – und das schon bevor er überhaupt geboren wurde. Maria trug ihn noch in ihrem Bauch. Dort war er warm eingepackt und gut geschützt. Doch wenn sie verreisen wollte, wählte sie einen Esel, als Pack- und Tragtier.  Wie es dazu kam, dass Maria verreiste, obwohl sie doch schwanger war und was dann geschah, davon möchte ich jetzt erzählen.

Ein Esel packt aus und erzählt die Weihnachtsgeschichte

Den Kaiser Augustus kannten damals alle. Jedenfalls dem Namen nach. Einen Fernseher hatten die Menschen ja nicht. Zeitungen gab es auch keine und erst recht keine Smartphones, oder soziale Netzwerke. Obwohl es das alles nicht gab, verbreiteten sich Neuigkeiten meist sehr schnell. Auch das, was der Kaiser Augustus machte, erfuhren die Menschen ziemlich rasch. Der Kaiser war so bekannt, dass sogar wir Esel immer wieder von ihm hörten. Denn die Menschen schimpften viel über ihn. Augustus war ein großer Kaiser und lebte gar nicht in Israel, sondern weit weg von uns in Rom. Dort herrschte er über die Römer, aber auch über Israel – und das war der Grund, weshalb sogar ich immer wieder von ihm hörte. Obwohl ich eigentlich gar nicht so recht wusste, was ein Kaiser überhaupt sein sollte.

Ich konnte ja auch nicht alles wissen. Schließlich hatte ich genug mit meinem Menschen zu tun. Deshalb kümmerte es mich auch nicht wirklich. Denn ich war vollauf damit beschäftigt, mich meiner Eselshaut zu wehren. Da konnte ich nicht über einen Kaiser nachdenken, der gar nichts mit uns zu tun hatte. 

Oft genug passierte es, dass mein Mensch so wütend war, dass er auf mich eindrosch. Doch eigentlich hatte er gar keinen Grund, zornig auf mich zu sein. Manchmal glauben die Menschen, alles müsste nach ihrem Kopf gehen, oder sie denken ein Esel wäre ein Pferd. Aber ich bin nun mal ein Esel und kein kleines Pferd mit einem viel zu großen Kopf und zu lang geratenen Ohren. Doch in diesem Fall hatte ich gar nichts getan. Auch wenn ich manchmal nach der Meinung der Menschen ein wenig störrisch war, doch an jenem Tag war ich völlig unschuldig. Nur weil der Kaiser Augustus im weit entfernten Rom einen Beschluss erließ, den keiner verstand, war mein Mensch sauer und schlug mich. Er war sogar so sauer, dass er mich an den nächstbesten verscherbelte. Weil er Geld brauchte. Das behauptete er jedenfalls. Nachdem er mich los hatte, machte er sich schnell aus dem Staub mit den wenigen Münzen, die er für mich bekam.

Ich war natürlich nicht gefragt worden, ob mir das Recht war. Doch eigentlich spielte es sowieso keine Rolle. Ein Mensch war wie der andere – dachte ich zumindest in meinem Eselshirn. Ich nahm den Besitzerwechsel gleichmütig hin. Obwohl der neue Mensch zur Probe gleich mal eine Runde auf meinem Rücken drehte. Mir sollte es recht sein. Hauptsache mein Mensch gab mir zu fressen und einen Platz zum Schlafen. Das tat er dann auch. Eigentlich war er sogar netter als mein früherer Mensch. Jedenfalls schlug er mich viel weniger und wenn, dann nur, wenn ich wirklich bockte. Na gut, ich versuchte mir das dann sogar ganz abzugewöhnen. Aber ich bin ja nur ein Esel und als Esel mache ich mir so meine eigenen Gedanken, auch dann, wenn das keiner von mir verlangt. Darum ist es schwierig, nicht zu bocken, wenn der Mensch anders will als ich.

 Mein Besitzer hieß Josef und hatte sogar eine Frau, die hörte auf den Namen Maria und war ganz okay. Wenn sie mir Wasser gab und mein Fell striegelte, redete sie manchmal mit mir. Das hatte vorher noch keiner getan. Ich versuchte auch zu antworten, aber mehr als „Iiiiaaaaa“, brachte ich nicht heraus. Ob sie das verstand, weiß ich nicht. Denn manchmal redete sie einfach weiter und das hatte gar nichts mit dem zu tun, das ich ihr vorher gesagt hatte. Deshalb glaube ich, dass die Verständigung mit einem Menschen einfach schwierig ist.

Doch immerhin hatte mir Maria sogar einen Namen gegeben. Sie kam zu mir, bürstete mein graues Fell und meinte: „Na du schöne Eselsfrau. Du brauchst doch einen Namen. Wie möchtest du denn heißen?“ Ich schlug ihr „Iiiiaaa“ vor und Maria lachte nach Herzenslust. „Ich hab’s“ strahlte sie mich an. „Wie wär’s mit Asinia?“

Das hatte ich doch gar nicht gesagt? Aber ich merkte schon: Maria hatte wieder mal nichts verstanden. Deshalb tat ich das, was ich am besten konnte: Ich nickte und sagte „Iiiiaaa“.

Damit war die Namensgebung beschlossene Sache. Ich war stolz, einen Namen zu haben, denn mein früherer Mensch hatte mich nur mit „Esel“ angesprochen, wenn überhaupt. Für den war ich so wichtig, wie der Stecken, mit dem er mich schlug. Also gar nicht.

Es war einmal ein Kaiser…

Maria und Josef waren da anders. Vielleicht lag es auch daran, dass Maria noch so herrlich jung war. Sie freute sich ihres Lebens und teilte mir das immer mit, wenn sie mich sah. Jedenfalls fühlte sich das Leben jetzt viel besser an als früher. Also war der Kaiser Augustus in Rom doch zu was gut. Denn ohne ihn wäre mein alter Mensch nicht so sauer geworden und er hätte mich nicht in seiner Wut dem nächstbesten verkauft. Doch bei Maria und Josef machte es mir gar nichts aus, dass ich Tag für Tag zur Feldarbeit eingesetzt wurde und dass ich zwischendurch immer die Maria auf meinem Rücken irgendwohin tragen musste. Ich bockte auch fast gar nicht. Nur wenn sich die Maria wieder mal in den Kopf gesetzt hatte, die Abkürzung nach Hause zu nehmen und deshalb einen besonders schmalen Weg reiten wollte, dann erlaubte ich mir schon, sie darauf aufmerksam zu machen und einfach stehen zu bleiben. Doch Maria hatte genauso einen Sturschädel wie ich selber. Sie trieb mich einfach an. Das ging dann eine Weile hin und her, bis sie mich endlich so weit hatte, dass ich weiterlief.

„Na also“, lobte mich dann Maria. Doch was hieß dabei schon „Na also“! Wenn wir den Abhang hinuntergefallen wären, hätte sie nicht mehr „na also“ gerufen, dann wär’s aus und vorbei gewesen! Aber was reg ich mich auf. Ich bin ja doch nur ein armer Esel!

Eines Tages machte ein Gerücht die Runde: Kaiser Augustus hätte einen Befehl ausgegeben, mit dem er die Menschen aufforderte in ihre Geburtsdörfer zu gehen.

 „Wozu?“, wurde gefragt. „Na damit der Augustus genau weiß, wie viel Leute hier in Israel leben.“, war die Antwort.

Davon erfuhr auch mein Besitzer. Ein römischer Soldat sprengte auf seinem Pferd in unsere Stadt Nazareth und er schrie seine Botschaft in alle Gassen: „Befehl von Kaiser Augustus: Alle Einwohner müssen umgehend in ihre Heimatstädte und sich dort in eine Liste eintragen lassen. Also macht euch gleich auf den Weg!“ 

Doch er hielt sich gar nicht auf, sondern ritt sofort weiter, musste er doch überall seine Botschaft bekannt machen. Es war also gar kein Gerücht, sondern es verhielt sich wirklich so.

Josef war Zimmermann von Beruf und er hatte soeben Holzbalken für ein neues Haus zurechtgeschlagen. Mitten in der Arbeit legte er die Axt beiseite und rannte schnell zu Maria. „Hast du schon gehört?“, rief er ihr zu. Maria schleppte gerade einen Krug Wasser ins Haus. „Ja, der Römer war ja nicht zu überhören.“, bestätigte sie.

Josef sprang ihr schnell zur Seite und griff nach dem Krug. „Gib her und schon dich ein wenig. Wir sollten baldmöglichst aufbrechen. Damit du nicht ausgerechnet unterwegs das Baby bekommst.“ Um sich in die Listen eintragen zu können, mussten sie nach Bethlehem, denn das war ihr Geburtsort.

Doch ausgerechnet jetzt war Maria schwanger und erwartete ein Baby.  Gerne gab sie Josef den Krug. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und ließ sich erschöpft nieder.

„Ruh du dich aus. Ich werde packen und morgen früh brechen wir auf nach Bethlehem. Damit wir uns rasch in die Listen eintragen können.“, meinte Josef, während er den Krug mit Wasser auf den Tisch stellte.

Während Maria sich ausruhte, packte Josef alles zusammen, was unterwegs dringend gebraucht wurde. Er schnürte sein Bündel auf meinem Rücken. Mir war klar, dass ich als Esel, die ganze Last schultern musste. Immerhin hatte Maria auf diese Weise noch einen weiblichen Beistand, denn ich, Asinia die Eselsfrau, begleitete ab dem folgenden Tag Maria auf ihrer anstrengenden Reise.

Als Eselin wusste ich sofort, dass so eine weite Reise nicht gerade zur Idealzeit auf Maria zukam. Eine Frau, die Mama wird sollte nicht so weit reisen müssen.  Schließlich konnte jetzt bald das Baby kommen. Deshalb beschloss ich, gut auf Maria aufzupassen.

Der Beginn einer abenteuerlichen Reise

In dieser Nacht schlief ich nur wenig, denn ich freute mich auf die Reise. Außerdem drückte das Bündel mit dem ich ja schon bepackt war. Aber ich musste nicht lange warten. Schon sehr früh kamen Maria und Josef in meinen Stall um mich zu holen. Josef führte mich hinaus und Maria schritt neben ihm her. Noch fühlten sich beide frisch genug um zu laufen. Auch Maria machte keine Anstalten, von mir getragen zu werden. Trotz ihrer Schwangerschaft fühlte sie sich fit und gesund.

Besorgt meinte Josef: „Willst du dich nicht doch ein wenig von unserem Esel tragen lassen?“

Maria lachte, ihre dunklen Augen blitzten und sie strich sich fröhlich die schwarzen Locken aus der Stirn. „Ich bin zwar schwanger, aber doch nicht krank! Außerdem hat Asinia genug mit unserem Gepäck zu schleppen.“

Da hatte sie allerdings Recht und ich konnte nur zustimmend nicken. „Iiiiaaa“.

Maria fühlte sich stark. So ein paar Kilometer konnten ihr nichts anhaben. Sie war eine junge Frau mit einem gesunden Selbstvertrauen. Manchmal neckte sie den Josef ein wenig und versteckte sich unterwegs hinter einer Hecke. Oder sie tat, als ob sie sich den Fuß vertreten hätte. Wenn sich Josef dann voller Sorge über sie beugte, sprang sie lachend wieder auf. Ich bleckte die Zähne und lachte mit ihr mit, auch wenn das keiner merkte, weil das keinem meiner Menschen auffiel.

Maria genoss die Reise in vollen Zügen und machte sich keine Gedanken über die bevorstehende Geburt. Jedenfalls nicht an diesem ersten Tag. Abends fanden Maria und Josef schnell eine gastfreundliche Familie, bei der sie übernachten konnten und machten sich am nächsten Tag voller Zuversicht auf den weiteren Weg.

„Du bist ein braves Tier Asinia“, lobte mich Maria, als ich am dritten Tag geduldig hinter ihr her zockelte. „Ohne dich müssten wir unsere Sachen selber tragen. Doch du schleppst alles, ohne zu murren und zu klagen.“

Die hatte gut reden. Was hätte ich auch sonst machen sollen? Gut, ich hätte bocken können… Aber ich wusste aus Erfahrung, dass ein Esel dabei nur Schläge erntete. Deshalb ließ ich das lieber sein. Stattdessen schleppte ich brav die Habseligkeiten von Maria und Josef mit mir herum. Auch am vierten, fünften und sechsten Tag. Außerdem mochte ich die beiden viel zu sehr, als dass ich sie damit belasten hätten wollen, indem ich einfach das Bocken anfing. Stattdessen drehte ich meine Ohren nach vorne und sagte ihr so: „Du, ich mag dich.“

Dann merkte ich, dass Maria ihren Schwung langsam verlor. War sie am Anfang öfter mal vorausgelaufen, oder hatte sie sich aus einer Laune heraus versteckt, so lief ihr jetzt der Schweiß schon nach wenigen Stunden in Strömen herunter. Dabei hatten wir unser Tagespensum noch nicht mal zur Hälfte bewältigt. Auch Josef merkte, dass seine Frau Atemnot bekam.

„Maria komm lass uns ein wenig ausruhen“.

Dankbar nickte Maria und ließ sich ohne große Überlegung, da wo sie gerade stand, einfach auf den Boden nieder. Hauptsache sie musste nicht mehr laufen. Mir war das Recht. Mechanisch zupfte ich ein wenig hartes Gras vom Wegesrand und scharrte lustlos mit den Hufen. Josef und Maria saßen lange dort. Ich dachte schon, sie wollten gar nicht mehr weiter.  Ich langweilte mich. Inzwischen kamen auch andere Reisende den Weg entlang. Ein paar interessante Esel waren auch dabei. Vielleicht hätten wir Freunde sein können. Ich mag andere Esel. Schließlich sind wir Esel Herdentiere. Aber sie mussten weiter. Mehr als ein flüchtiges „I-a“ konnten wir uns nicht zurufen.

Dann endlich rafften sich Maria und Josef wieder auf. Josef zog seine Frau hoch. Maria machte zwei Schritte und sank sofort wieder zusammen.

 „Was ist los mit dir?“, wollte Josef wissen. Er machte sich Sorgen. Zurecht, denn Maria erwartete schließlich ein Baby.

Doch Maria wehrte ab. „Es ist nichts, außer, dass mir meine Füße wehtun und ich alle meine Knochen spüre!“ Sie zuckte die Schultern.

Josef schmunzelte, trotzdem war er besorgt. Er half ihr wieder auf. „Setz dich auf den Esel!“, forderte er sie auf. Josef wollte, dass es Maria gut ging.

Doch Maria hätte mit mir verwandt sein können: Sie war genauso störrisch. „Nein“, heftig schüttelte sie den Kopf.

Josef murmelte etwas wie „selber schuld“ und setzte seine Wanderung fort. Maria und mir blieb nichts anderes übrig als hinterher zu trotten. Allerdings nicht sehr lange und Maria konnte wirklich nicht mehr weiterlaufen. Da half auch keine Rast mehr. Sie war fix und fertig.

„Jetzt stell dich nicht so an. Setz dich auf den Esel und gut ist!“, befahl jetzt der Josef. Wir waren lange gelaufen. Auch er spürte den langen Marsch in den Knochen. Seine Laune war nicht mehr die beste. Deshalb hörten sich seine Worte barscher an, als ich das sonst von ihm gewohnt war.

Doch ausnahmsweise war Maria derselben Meinung. Deshalb kletterte sie widerspruchslos auf meinen Rücken und ließ sich tragen. Für mich war das jetzt sehr hart. Schließlich hatte ich auch schon eine beträchtliche Strecke zurückgelegt und jetzt musste ich mitsamt Maria weiterlaufen. Zum Glück war sie federleicht – Schwangerschaft hin oder her. Trotzdem war ich froh, als es dunkel wurde und wir irgendwo übernachteten.

Ich weiß jetzt gar nicht wie viele Tage wir unterwegs waren. Schließlich bin ich ja nur eine dumme Eselsfrau und kann auch gar nicht zählen. Aber es waren viele. Doch irgendwann näherten wir uns dem Ziel. Ich merkte es zuerst daran, dass Josef stärker ausschritt, ganz so als hätte er neue Kraft getankt. Auch Maria suchte die ganze Zeit über mit den Augen den Horizont ab und hielt immerzu nach irgendetwas Ausschau. Ich setzte einen Fuß vor den anderen und dachte gar nichts. Dann meinte Josef: „Wir müssen uns beeilen, dann sind wir noch heute Abend in Bethlehem.“

Alle Herbergen sind ausgebucht

Komisch, ich weiß ja nicht warum, aber ich wusste sofort, dass das ein Fehler war. Irgendwie dachte ich in meinem Eselsgehirn, dass es besser wäre, wir würden in Bethlehem ankommen, bevor es Abend wird. Also am Tag.

 Darum hätte ich vorgeschlagen, unterwegs zu übernachten und am nächsten Tag um die Mittageszeit anzukommen. Ich protestierte heftig. „Iiiaa“.

Doch mein „Iaaa“-Geschrei verstand ja keiner! Macht doch was ihr wollt, dachte ich und trabte einfach weiter.

Es war so, wie ich schon befürchtet hatte: Die Nacht brach herein, als wir endlich in Bethlehem ankamen. Es war schon ziemlich finster. Straßenlaternen gab es keine. Dass hier überall römische Reiter herumlungerten, machte die Sache auch nicht besser. Josef ging forsch auf die erste Herberge zu und kam gleich wieder. Man hatte ihn gar nicht erst hineingelassen, so voll war die Herberge schon. Natürlich ließ er sich nicht unterkriegen. Er zerrte mich einfach weiter und zwar direkt vor das nächste Gasthaus. Hier ging es ihm ebenso. Josef schaute leicht verwirrt als er zurückkam.

 „Das gibt’s doch nicht! Hier muss es doch irgendwo ein Haus geben, in dem wir übernachten können!“

Maria’s schwarze Augen funkelten. „Hast du denen gesagt, dass ich ein Baby bekomme?“

 Josef schüttelte den Kopf.

Fand ich gut, denn ich glaube, dass eine Schwangerschaft nicht gerade eine Empfehlung bei den Wirtsleuten wäre. Doch Maria war da anderer Meinung und das sagte sie auch:

„Du musst dem Wirt sagen, dass ich hochschwanger bin und mein Kind nicht im Freien bekommen will.“

Ich hielt die Luft an. Das war genau die Schwierigkeit, die ich fürchtete. Deshalb wird uns der Wirt erst recht nicht einlassen. Wobei… mir kann’s ja egal sein. Ich bleibe eh draußen…

Josef nahm die Schultern zurück und steuerte schon das nächste Gasthaus an. Auf sein Klopfen öffnete schon gar niemand. Zögernd ging er um das Haus herum. Noch einmal versuchte er es mit Klopfen. Da ging die Tür auf:

 „Was ist los!“, brüllte ein großer langer Kerl, bei dem sogar ich die Alkoholfahne roch.

 „Wir brauchen eine Unterkunft“, erklärte Josef.

 Der Mann warf nur einen Blick auf Josef und auf Maria, die auf mir saß. „Gesindel“, der Wirt spuckte direkt vor Josef aus. 

Doch Josef ließ sich nicht abschrecken. „Eine Unterkunft, nur für eine Nacht“, bat er.

Der Kerl kniff die Augen zusammen und schaute uns von oben bis unten an. Ich hielt es für wahrscheinlich, dass er uns doppelt sah, so wackelig wie der auf den Beinen stand.

Dann meinte er: „Ich habe ein paar hundert Meter außerhalb einen Stall. Den könnt ihr nutzen, weil ich ein großes Herz habe!“

Tolles Herz, dachte ich in meinem Eselsgehirn. Doch Josef bedankte sich und ließ sich noch einmal genau den Weg beschreiben. Dann trabten wir los. Wir fanden den Stall auch ohne große Mühe, denn es war der einzige weit und breit.

Nur noch im Stall gibt’s einen Platz

Drinnen stand schon ein Ochse, der aus einem Futtertrog Heu fischte. Gerne stellte ich mich dazu und bediente mich ebenfalls. Der Ochse muhte erst sehr bedrohlich und ich musste mir unter viel „I-a“-Geschrei Respekt verschaffen. Zum Glück war er schon älter und gab nach einer Weile Ruhe. Das war auch notwendig, denn Maria sah nicht so aus, als könnte sie eine Kraftprobe gebrauchen. Schließlich standen wir beide, also der Ochs und ich vereint an der Futterkrippe und genossen das Heu und die behagliche Wärme in diesem Stall. Ich mochte den Ochsen und nach seiner anfänglichen Kraftmeierei entpuppte er sich als angenehmer Kamerad.

Maria und Josef machten sich ein Bett aus Heu und Stroh und schienen es auch ganz gemütlich zu haben.

Irgendwann fing Maria an zu stöhnen, dann war es mit der Gemütlichkeit vorbei. Josef wurde hektisch. Ich kam näher und stupste Maria mit meiner weichen Schnauze an. „Hey, das geht vorüber. Ich hab’s auch schon mal mitgemacht“, erklärte ich ihr und obwohl ich nichts anderes herausbrachte, als „Iiiaa“, schien sie mich doch zu verstehen.

Ich hatte Recht. Sooo lange dauerte es gar nicht. Plötzlich war das Baby da. Ein winzig kleiner Menschling. Josef verscheuchte den Ochsen und mich von der Futterkrippe. Das fand ich zuerst gar nicht lustig, aber dann verstand ich den Grund: Maria schüttelte ein wenig Heu auf, breitete Tücher darüber und legte das kleine Baby in die Krippe. Neugierig starrten der Ochse und ich das Kind an. Der Ochse muhte und auch ich begrüßte das Baby. „I-aaah“, schrie ich. Das Kind nuckelte an seinem Daumen und antwortete nicht. Eigentlich sah es ganz normal aus: Blau wie alle Neugeborenen.

Eine Geburt – und alle wollen das Baby sehen

Doch soweit die Theorie. Es dauerte nicht lange, als ich vor der Stalltür emsige Schritte hörte. Es war ein Getrappel und ein Gerenne, als wäre eine ganze Eselherde auf der Flucht. Doch es waren nur ein paar lausige Hirten, die ganz offensichtlich ihre Herde schmählich im Stich gelassen hatten.

„Ist hier das Kind geboren?“, fragten sie noch völlig atemlos.

Ich staunte: Woher wussten die denn das jetzt schon wieder? Und: Was ging sie das überhaupt an? Sollten sie sich nicht lieber um ihre Herden kümmern? Die Tiere waren sonst ganz alleine auf der Weide! Es gab wilde Tiere in Israel – das sollte eigentlich jeder Hirte wissen.

 Josef und Maria waren auch ganz baff, zeigten das aber nicht so.

 „Woher wisst ihr von unserem Baby?“, fragte Josef ganz bedächtig.

„Da war ein Engel…“, stieß einer der Hirten hervor. Er musste es wohl sehr eilig gehabt haben, denn er trug kaum mehr als einen Lappen um den Körper gewickelt. Auch sonst sah er nicht gerade gepflegt aus. Hirten lebten im Allgemeinen Tag und Nacht bei ihren Herden. Das merkte man ihm auch an.

„Ja und das Licht!“, unterbrach ihn ein anderer. Der stank als hätte er monatelang kein Bad genommen.

„und..und..und..“, stotterte der Nächste, dem die Haare vom Kopf abstanden, als wollten sie mit einem Kaktus konkurrieren. Einen Kamm hatte er schon lange nicht mehr gesehen.

„Der Engel hat gesagt: Euch ist heute der Heiland geboren!“, erklärte endlich einer der Hirten.

 Das war ja mal eine Neuigkeit. Ein Engel, der mitten in der Nacht erscheint. Die Hirten kamen von draußen. Ich schnüffelte: Nach Alkohol rochen sie nicht. Sie schienen alle sehr aufgeregt, also musste es wohl stimmen, auch wenn die Männer nicht gerade besonders vertrauenerweckend aussahen. Allerdings traf das auch auf Maria und Josef zu. Wer so eine lange Reise hinter sich hatte und sich dabei nicht mal richtig hat waschen können, wirkte nicht gerade taufrisch. Dazu brauchte man nicht mal eine Geburt. Jetzt nach dieser Anstrengung sah Maria  zwar überraschend gut aus, aber sauber ist trotzdem was anderes.

„Was hat er denn genau gesagt der Engel“, bohrte Josef nach. Er wollte es schon genau wissen.

Doch die Hirten erinnerten sich an jedes Wort: „Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ 

Das waren tolle Worte. So etwas hatte ich noch nie gehört. Aber jetzt war sogar mir klar, dass den Hirten wirklich ein Engel erschienen war. So etwas hätten die sich niemals ausdenken können. Dieses Baby musste also etwas ganz Besonderes sein. Darum wollte ich auch gut darauf aufpassen, wenn die Maria sich wieder von mir tragen lassen würde.

Mir gingen diese Worte gar nicht aus dem Sinn. Was wohl aus diesem Baby einmal werden sollte?

Natürlich blieben wir eine Weile in diesem Stall. Wir mussten uns ja noch zählen lassen und außerdem war Maria noch zu schwach, um woanders hin zu gehen. Die Zwischenzeit nutzte Josef, um die Ritzen im Stall abzudecken. Als gelernter Zimmermann hatte er ein paar Tricks auf Lager, um die Behausung so wohnlich zu machen, dass das Baby gut vor Zugluft geschützt war. Das alles hielt uns noch ein paar Tage in Bethlehem.

Es war schon interessant wer uns alles besuchte, obwohl Maria und Josef ihr Zuhause doch eigentlich in Nazareth hatten. Trotzdem hatten außer den Hirten auch andere Menschen von der Geburt gehört und erfahren, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Geburt handelte. Sie alle wollten näheres über dieses besondere Menschenkind wissen. Sie freuten sich alle mit Maria und Josef über Gott und das Baby.

Unglaublich, wer da alles zu Besuch kommt

Kein Wunder, dass uns dann später noch diese anderen fanden, also keine Hirten, die waren etwas Besseres und stanken auch nicht wie die Hirten. Sie nannten sich Weise. Eines Tages, es war schon wieder dunkel, hörten wir wieder Geräusche an der Stalltür. Jemand klopfte, als wäre es eine Wohnungstür und kein lumpiger Stall. Wenn das so weiterging, konnte Josef gleich mal ein Türschild mit Namen drauf an den Stall hängen.

 Als Josef die schwere Tür zurückzog, drängten sie sich auch nicht flegelhaft an ihm vorbei, sondern sie traten gemessenen Schrittes ein, so als wäre die Behausung kein zugiger Stall, sondern ein vornehmer Palast. Sie vermieden es sogar die Luft anzuhalten, wegen der üblen Stallgerüche, sondern sie beugten sich stattdessen voller Freude über die Krippe mit dem Kind. Es kam noch schlimmer: Sie sanken ehrfürchtig auf die Knie und lobten Gott. Das war mir schon fast peinlich. Schließlich war es mein Futtertrog und keine goldene Wiege.  Gut, gut, ich weiß, sie meinten das Kind und nicht die Futterkrippe.

Trotzdem staunten auch Josef und Maria. Ich sah es an dem ungläubigen Blick den Josef seiner Frau zuwarf, so als wollte er sagen: Kennst du diese Typen? Ich nicht.

„Wir sind einem Stern gefolgt“, erklärten die Besucher ihr seltsames Benehmen. „Der Stern wies uns den Weg bis hierher zu diesem Stall.“

Das war zwar sehr interessant, erklärte aber nicht, weshalb das so wichtig war. Doch die Weisen ließen es sich nicht nehmen und erzählten munter einfach weiter.

 „Der Stern kündigt die Geburt eines großen Herrschers an und deshalb sind wir hier!“

„Ein großer Herrscher – aha. Aber was hatten sie dann bei uns zu suchen?“ Leider konnte ich meine Frage nicht stellen, denn alles was sie hörten war „I-a“ und darauf reagierten die Fremden gar nicht.

Die Könige waren reich gekleidete Männer, mit bestickten Umhängen und Schmuck an den Armen. So kamen sie auch nicht mit leeren Händen. Sie packten Geschenke aus! Das muss man sich mal vorstellen! Mitten in einem alten Stall. Da kamen diese völlig unpassend angezogenen Männer, mit Kleidung, die in unserem Stall sicher einige Flecken abbekommen hat und legten Gold, Weihrauch und Myrrhe vor dem Kind nieder! Mir fielen vor lauter Staunen fast die Augen aus den Höhlen. Solche Schätze hatte ich noch nie gesehen. Maria und Josef ganz sicher auch nicht. Auch sie starrten die Gaben an, als ob sie nicht recht wüssten, ob sie diese Sachen wirklich behalten dürften.

Ich war wirklich platt. Erst kamen die Hirten. Sie trugen buchstäblich die Armut in unseren Stall. Selten habe ich so heruntergekommene Gestalten gesehen. Sie hatten nichts und besuchten uns nur, weil sie dem Engel glaubten. Dann kamen die Weisen, diese unermesslich reichen Könige und brachten den Reichtum in unseren Stall. Sie besuchten uns, weil sie aufgrund ihrer Weisheit mehr als andere wussten. Ich machte meine Ohren ganz lang und drehte sie so, dass mir auch kein Wort entging. Denn sie sagten Dinge, die ich nie für möglich gehalten hätte und die ich auch gar nicht richtig verstand.

Sie erzählten Maria und Josef: „Dieses Kind wird einmal eine wichtige Persönlichkeit sein und wir sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ Die Weisen schauten die Eltern des Kindes dabei aufmunternd an.

Jesus war ein ganz besonderes Kind

Josef und Maria setzten sich mit den Weisen auf den Boden. Zum Glück war Josef morgens im Ort gewesen und hatte ein paar Fladenbrote besorgt. Viel hatten die beiden nicht anzubieten. Aber sie teilten das Wenige mit den Königen, die das aber nicht weiter störte.

Stattdessen freuten sie sich sehr, dass sie am Ziel ihrer Reise angekommen waren. Das merkte sogar ich Esel. Auch wenn mir nicht so ganz klar war, warum die so ein Tamtam um ein kleines Baby machten. Kinder gab es wie Sand am Meer. Auch wenn die wenigsten ausgerechnet in einem Stall auf die Welt kamen. Trotzdem konnten sich die Israeliten nicht gerade über Kindermangel beklagen. Warum also beschenkten die Weisen, die aus sehr fernen Ländern extra einem Stern hinterhergelaufen waren, dieses Baby? Hätte es bei ihnen in der Nachbarschaft nicht genug Neugeborene gegeben, deren Eltern sich auch über diese Luxusgeschenke gefreut hätten? Was hatte Marias Baby was diese anderen Babys nicht hatten? Rätsel über Rätsel. Zugegeben der Besuch dieser weisen Könige gab mir viel zum Nachdenken. 

Ich habe lange darüber nachgedacht und Jesus dabei aufwachsen gesehen. Im Laufe der Jahre habe ich erfahren, wie wichtig dieser Jesus war, der damals im Stall geboren wurde und der in derselben Krippe lag, aus der ich vorher mein Futter gefischt hatte. Dieser Jesus ist als Mensch geboren und war und ist doch der Sohn Gottes. Es ist ein Wunder – auch wenn mein Eselsgehirn viel zu klein ist, um das zu begreifen.

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